Die Architektur Des Kretischen Hauses

Den Vorzug zum Überleben oder für den nötigen Schutz genoss eine einfache Unterkunft in Form eines Hauses. Aus der Studie dieser Häuser entnehmen wir nicht nur die wichtigsten Informationen der Geschichte der Zivilisation sondern auch den Einfluss und die Konsequenzen der historischen, sozialen und wirtschaftlichen Situationen eines Volkes oder Landes.

Der architektonische Ausdruck ist das Resultat einer allgemeinen Beobachtungsgabe der einheimischen Handwerker, die mit ihrem Wissen und dem Studium anderer Bauten Häuser aufstellen. Dabei ziehen sie die praktischen und wetterabhängigen Anforderungen sowie die gebotenen Materialien in Betracht.

Die kretische Architektur ist während Jahrhunderten erhalten geblieben. Ihre Formen und Eigenheiten vermochte auch die langjährige Unterdrückung nicht zu ändern. Architekturen anderer Zivilisationen verschmolzen mit der einheimischen.

Die kretische Architektur wurde, was die Motive und die Formen anbelangt, von der 2. byzantinischen Periode (961-1204) beeinflusst. Dieselbe wurde trotz der fremden Einflüsse, die auf der Insel Einzug hielten, in der Volksarchitektur weitergeführt. Die byzantinische Bautechnik wurde von Handwerkern des Byzanz eingeführt und wurde später auf der Insel zur Tradition.

Wie die groβe Volkskundlerin neuer Zeiten, Angeliki Hatzimihali berichtet, hat sich die ursprüngliche Einrichtung des griechischen Hauses auβer einigen Details kaum merklich verändert. Das beruht darauf, dass die alltäglichen Gewohnheiten, der Lebensstil, Sitten und Bräuche der verschiedenen Jahreszeiten sich kaum verändert haben. Nach dem Untergang des Byzanz lebten die Menschen genau gleich weiter wie davor. So wurden auch die Häuser und ihre Bautechnik trotz fremder Einflüsse im Stil des Byzanz weitergebaut.[1]

Im Vergleich zur Stadt war der Einfluss auf dem Land jedoch sehr verschieden.

Auf dem Land wurde die herkömmliche Architektur des kretischen Hauses bis ins 19. Jahrhundert weiter gepflegt. Sie zeichnet sich aus durch ihre Einfachheit, die Harmonie des Gebäudes und ihre praktische Funktion.

Das kretische Haus richtet sich nach innen. Der Hof wird durch eine hohe Mauer geschützt, was den Bewohnern eine Privatsphäre bietet.

Das Haus bietet der Familie Unterschlupf und wächst zusammen mit den erhöhten Anforderungen der Familie. Die Treffpunkte rund um die Feuerstelle, in der Küche, in den Schlafzimmern und auf dem Hof (Backofen und weitere Installationen) die kubischen Formen und Bögen wie auch die Türen und Fenster geben dem Gebäude Charakter.

Die Materialien einer Gegend bestimmen auch den Bau, von der Gröβe bis hin zu den Fenstern und Türen. Lösungen werden jeweils im Rahmen des Möglichen und der Notwendigkeit an Ort gefunden.

So wurden die Häuser aus Stein gebaut und waren eher niedrig. Einige wiesen zwei Stockwerke auf mit einem gebogenen oder geraden Türsturz. Türen und Fenster waren klein und aus Holz, mit den nötigen Metallteilen zur besseren Funktion und Absicherung. Auch die Fußböden waren aus Holz, wobei die Dächer aus Holz und Erde bestanden. Die kretischen Häuser wurden weiß gestrichen und gekalkt.

Ein kretisches Haus auf dem Land ist von hoher architektonischer Qualität.

“Und ich habe nichts Harmonischeres und Malerischeres gesehen als diese Anordnung der aus der Natur stammenden Materialien. Dabei entspringt es weder einer allgemeinen architektonischen Idee noch einer abstrakten, obwohl es eine so intensive natürliche Harmonie birgt.”[2]

[1] A. Hatzimihalis, Skyros, Athen 1925, Verweisung an D. Filippides, Νεοελληνική Αρχιτεκτονική, Athen 1984, S. 157.
[2] D. Pikioni, “Κείμενα”, M.I.E.T., Athen 1987

Während der venezianischen Herrschaft (1204-1645) wurde die Architektur in den Städten vom westlichen Stil beeinflusst, vor allem von der Renaissance. Die herrschaftlichen Häuser waren groß und wurden eins neben das andere gebaut, immer in Harmonie mit der bestehenden, anonymen Tradition. Sie behielten ihren kubischen Charakter bei. Um Fenster und Türen wurde besonders vorsichtig gearbeitet, und vor allem der Eingangstür wurde besondere Beachtung geschenkt.

Die Metallteile wiesen dieselben Eigenschaften auf in der Stadt so wie auf dem Land, da sie von einheimischen Schmieden hergestellt wurden.

Ein groβer Unterschied war allerdings bei den Eisengittern an Fenstern und Balkonen mit komplizierten Mustern zu bemerken.

Der Klassizismus und der anschlieβende neoklassische Stil in Griechenland beeinflußten Mitte des 19. Jahrhunderts auch die Arbeit der Schmiede auf dem Land.

Das Haus hielt im Allgemeinen die Form und Gröβe bei, die Fassade und vor allem die Fenster und Türen und die Gartenpforten wurden allerdings in Gröβe und Verarbeitung denjenigen der Herrscherhäuser in Rethymnon und Hania angepasst.

Auf Kreta ist vor allem die Architektur der Klostergebäude bemerkenswert, stützt sie sich doch auf die herkömmliche Volksarchitektur. Die Klöster bestehen aus einfachen, kubischen Gebäuden, die den Eindruck eines Dorfes verleihen und alle Eigenschaften eines kretischen Hauses wie oben erwähnt aufweisen.